Gruppe 47

Die Hex vom Bannwaldsee und die Gruppe 47

wort
sprechunfähig fliegen die hexen aus den häusern
der eisenriegel der hütten kommt aus dem boden
man schütze sich gegen die hauchlosen lider
der wenn-wölfe das wort ist ein unerklärliches
geräusch krank wurde der mensch daran.

Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb.

In unserer Gemeinde ist sie noch Einigen in guter Erinnerung. Die „Hex vom Bannwaldsee“, diese eigenwillige, exzentrische Frau die mit ihrem bunten Motorrad, farbig und auffallend  gekleidet, mit Schmuck behangen, in Spitzenhandschuhen, durchs Dorf fuhr. Ilse Schneider-Lengyel. Anfang des letzten Jahrhunderts geboren, vielleicht 1903 vielleicht auch später. So genau gab sie ihr Geburtsdatum nicht an, war sie doch auch eigentlich alterslos, wie viele kreative Künstler.

Ilse Schneider- Lengyel erbte von ihrem Vater den wunderbar in die Allgäuer Landschaft eingebetteten Bannwaldsee samt kleinen Häuschen, in dem sie ihrem Urlaub verbrachte. Damals noch ein Ort der Stille, heute ein Campingplatz.

Ihre erste künstlerische Ausbildung erhielt sie in den zwanziger Jahren als Fotografin. Ganz schnell entwickelte sich ihr Interesse an der fotografischen Abbildung von Skulpturen und Kunstwerken.

Sie studierte nebenbei Kunstgeschichte und Ethnologie und gab 1934 bereits ihr Werk „Die Welt der Maske“ heraus. Sie lebte zeitweise in Frankreich und belegt zudem noch Kurse in Malerei in Paris.

Als Schneider- Lengyel im Juli 1947 bei einem Schriftstellertreffen auf Hans Werner Richter traf, stellten die beiden rasch fest, so eine  Zusammenkunft müsste anders sein. Kritischer, jünger und die Idee eines modernen Schriftstellerbundes war geboren.

In der Nachkriegszeit musste improvisiert werden. Gerne stellte Ilse Schneider- Lengyel ihr ruhiges Domizil im Schwangau bereit. Masken, Bilder und Bücher bestimmten das Haus der Künstlerin, die eine andere Lebenswelt verkörperte. Hatte sie doch bereits als fotografierende Ethnologin viele Länder bereist.

Am 6. und 7. September 1947 trafen dann auch, in der kargen Nachkriegszeit, sechzehn Personen der schreibenden Zunft im kleinen Fischerhäuschen am Bannwaldsee ein. Hungrig und müde von der Reise.

Darunter Hans Werner und Toni Richter, Walter und Isolde Kolbenhoff, Nicolaus Sombart, Friedrich Minssen…

Walter Kolbenhoff erinnert sich:

„Am Bannwaldsee angekommen sahen wir das Haus, indem wir alle schlafen sollten, ein einsam am See gelegenes kleines Haus. Wie wir die Nacht verbracht haben weiß ich nicht, die meisten schliefen am Boden…..   Dann kam das zweite Problem, schlecht ausgeschlafen, immer noch müde, wollten wir frühstücken. Was?“

Doch Ilse Schneider-Lengyel hatte bereits frische Barsche und Hechte im See gefangen, hatte Kartoffel im Dorf organisiert, für das erste Frühstück der neu gegründeten Literaturgruppierung.

Der Name war schnell gefunden : man nahm ganz einfach das Jahr des ersten Treffens: „Gruppe 47“. Jetzt  hatte jeder Teilnehmer die Möglichkeit etwas aus seinem Schaffen vorzutragen, danach wurde diskutiert. Ziel war es, die deutsche Literatur, die bis dahin auch zu nationalsozialistischen Propagandazwecken missbraucht wurde, zu erneuern und eine literarische Plattform zu schaffen.  Die Werke setzten sich auch mit der Kriegs- und Nachkriegszeit ;auseinander die die Menschen damals stark prägten. Hans Werner Richter, zum Beispiel, war lange Zeit in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, seine damaligen Werken durften in dieser Zeit nicht verlegt werden.

Mit Hilfe von Ilse Schneider-Lengyel wurde am Bannwaldsee ein Neuanfang der deutschen Literatur geboren. Bald war die Gruppe 47 die einflussreichste, richtungsweisendste literarischen  Formierung der neuen Bundesrepublik. Schnell gestellten sich auch Literaturkritiker, Verleger und Lektoren dazu.

Die surrealistische Lyrik von Ilse Schneider-Lengyel stieß selbst bei Literaten auf Unverständnis und Zweifel. Sie bemühte sich nach ihrem Buch „Septemberphase“ vergeblich um weitere Veröffentlichungen.

In den sechziger Jahren zog sich Ilse Schneider-Lengyel aus dem Literaturbetrieb zurück. Der Bannwaldsee samt Häuschen wurde verkauft. Sie verstarb 1972 in einer Psychiatrieanstalt. Nach ihrem Tod geriet diese kraftvolle, kreative Künstlerin in Vergessenheit.

 

Zum Leben und Wirken von  Ilse Schneider Lengyel und der Gruppe 47 finden Sie Literatur in unserer Gemeindebücherei:

Jörg Magenau  Princeton 66    Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47

Heinz Ludwig Arnold   Die Gruppe 47

Gerhard Köpf   Innerfern

Alfons Maria Arns u. Heike Drummer    Ich bin als Rebell geboren

Helmut Böttiger   Die Gruppe 47

Ilse Schneider-Lengyel

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Ilse Schneider-Lengyel, Bayerische Staatsbibliothek München/Ana 372, Schachtel 9

Die Gruppe 47

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Die Gruppe 47 bei einem ihrer ersten Treffen, Akademie der Künste Berlin/Hans-Werner-Richter-Archiv (Nr. 692, Foto: Heinz H. Naumann)

Das Haus am Bannwaldsee

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Das Haus von Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee (Akademie der Künste Berlin/Hans-Werner-Richter-Archiv, Nr. 548/40, Foto: Heinz H. Naumann

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