Buchtipps

Liebe Leser,

hier wollen wir ab sofort unsere persönlichen Lieblingsbücher vorstellen, neue und auch alte, die – weil man nicht mehr öffentlich über sie spricht – leider zu Unrecht in unseren Regalen verstauben.

Wenn sie auch einen Lesetipp haben, schicken Sie ihn bitte an uns, wir werden ihn dann hier zusammen mit Ihrem Namen veröffentlichen. Machen Sie mit, empfehlen Sie Ihre Lieblingsbücher.

Immer nach unserem Büchereimotto:

NUR EIN AUSGELIEHENES BUCH IST EIN GUTES BUCH!

22 Bahnen von Caroline Wahl

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Barbara stirbt nicht

Barbara und Walter sind sein über 50 Jahren verheiratet, Walter ist seit kurzem in Rente, da stürzt Barbara im Bad und wird zum Pflegefall. Walter, der bisher strikt auf die Trennung der Zuständigkeiten gepocht hat – er das Einkommen, sie Küche und Kinder muss sich plötzlich alleine um alles kümmern.

Erst wird die gut befüllte Tiefkühltruhe geleert, dann steht er vor dem Problem, selbst kochen zu müssen. Durch Zufall stößt er im Internet auf eine Kochplattform, bei der Barbara angemeldet war. Unter Ihrem Namen bittet er die anderen Köche um Hilfe. Erst wird er für einen Troll gehalten, dann lassen sich einige auf sein Problem ein und coachen ihn Stück für Stück, damit er seine Barbara zu Hause behalten kann und nicht in ein Heim geben muss.

Was am Anfang locker ins humoristisch anfängt, kippt unwillkürlich ins Ernsthafte. Je mehr Walter in die Welt seiner Frau eintaucht, desto mehr wird klar, wie mies er seine Umwelt immer behandelt hat.

Trotzdem ist es eine versöhnliche Geschichte, unbedingt lesenswert.

Annette Strauch

 

 

Bonnie Garmus, Eine Frage der Chemie

 

Geschildert wird das Leben einer Frau in den 50ern in den USA. Sie studiert Chemie und ist hochintelligent (vielleicht mit einem kleinen Schlag Autismus). Allerdings gehört eine Frau in dieser Zeit hinter den Herd, sie hat per se eine niedrige Intelligenz und ist bestenfalls dazu vorgesehen, einem Mann Bonnier Garmus ist mit "Eine Frage der Chemie" ein Buch gelungen, das haushoch aus der Masse der zuzuarbeiten.

Ihr Glück ist ein soziophober Chemiker, Nobelpreisaspirant, der in ihr den anderen Teil einer chemischen Reaktion sieht, einen Urknall.

Beide ergänzen sich absolut und beide wehren sich gegen gesellschaftliche Zwänge. Dann stirbt er bei einem Unfall und lässt sie schwanger und unverheiratet zurück. Als Schwangere und ohne seine Protektion verliert sie ihre Stelle in der Chemiefirma und muss sich mühsam über Wasser halten, indem sie die wissenschaftliche Arbeit anderer Chemiker übernimmt.

Aus Zufall begegnet sie Walter, der ein Nachmittagsprogramm für den regionalen Fernsehsender installieren soll.

Gefragt, ob sie eine Kochsendung übernehmen will, stimmt sie zu, denn sie verdient endlich wieder regelmäßig. Allerdings ist sie jetzt da, wo sie nie sein wollte -  in der Küche.

Sie verändert ihre Kochshow auf ihre ganz persönliche Weise und stößt damit die Emanzipation vieler Frauen an.

Großartig!

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Delphine de Vigan ist wieder ein Buch gelungen, das den Leser nachdenklich zurücklässt.

Melanie wächst auf mit den ersten Folgen der französischen "Big Brother" und träumt sich selbst in eine Realityshow. Als sie dann tatsächlich ein Engagement bekommt - besetzt in der Rolle des Freaks - und von allen verspottet wird, ist der Traum noch lange nicht ausgeträumt.

Sie heiratet, bekommt ein Kind und stürzt in eine postnatale Depression. Besser wird es , als ihr Mann für sie ein Facebookkonto einrichtet und sie mit anderen in Kontakt treten kann. Melanie lebt immer mehr im Internet. Als dann ihre Tochter geboren wird, beschließt sie, deren Leben und später das der ganzen Familie permanent als You Tube Kanal zu filmen. Beide Kinder werden rund um die Uhr von ihrer Mutter mit der Kamera beobachtet und müssen "Challenges" vor laufender Kamera .durchführen. Dann verschwindet Kimmi, 6 Jahre alt.

Eine Kommissarin Clara soll das Verschwinden aufklären und arbeitet sich immer mehr in die virtuelle Welt ein.

Ich will jetzt nicht spoilern - Kimmi taucht völlig unspektakulär irgendwann wieder auf, interessant ist aber der zweite Teil der Geschichte:. was hat die ewige Medienpräsenz mit den Kindern gemacht? Was mit den Eltern?

Was passiert mit denen, die als Follower ständig dabei sind?

Sehr lesenswert!

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BastaÏsic, Lana
Fang den Hasen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwei Mädchen in Jugoslawien. Erst als die Aufspaltung in mehrere Länder und damit auch die ethnischen Konflikte beginnen, merken die beiden, dass sie verschiedenen Religionen angehören.

Auch wenn sich die Familien spinnefeind sind und der Vater als Polizeioffizier für das Verschwinden des älteren Bruders der anderen verantwortlich sein könnte, verlieren sich die beiden nicht aus den Augen. Erst als eine zum Studieren ins Ausland geht und bleibt, kommt die Freundschaft zum Erliegen.

Trotzdem reicht ein Anruf in Irland: es gibt eine Spur zum verschollenen Bruder. Beide Freundinnen machen sich gemeinsam auf die Suche. Ein irres Roadmovie, bei dem die Geschichte der beiden aufgearbeitet wird.

Unbedingt lesenswert!                                                                Annette Strauch

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Würger, Takis
Noah
von einem, der überlebte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Takis Würger, Spiegelredakteur, veröffentlicht nach langen Gesprächen mit Noah Klieger 1925 – 2018 dessen Erinnerungen. Klieger ist als Kind jüdischer Eltern in Belgien aufgewachsen. 1925 geboren erlebt er alle Facetten der jüdischen Geschichte angefangen bei der Flüchtlingshilfe in Belgien, wo er als agierendes Kind weniger gefährdet ist, als seine Eltern, über die Internierung bis zur Befreiung. Danach organisiert er die Reise jüdischer Überlebender in den neu zu gründenden Staat Israel auf der „Exodus“ und gestaltet den neuen Staat mit. Als Journalist ist er immer analytisch und nah am Zeitgeschehen.

Mich hat das Buch besonders beeindruckt, weil auch über die Schwierigkeiten NACH der Befreiung aus Auschwitz berichtet wird, natürlich immer subjektiv, denn persönliche Erinnerungen sind kein objektiver historischer Bericht. 

Würger kommt aus dem Journalismus, was man auch sprachlich merkt, das Buch ist eben kein Roman. Ein ganz wichtiges Buch, das gegen das Vergessen hilft.   

Annette Strauch

 

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Ruiz, Olivia
In einer Nacht ein ganzes Leben 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Olivia Ruiz ist eine junge, bekannte französische Sängerin, die ihre Lieder und Chansons schreibt und komponiert. „ In einer Nacht ein ganzes Leben“ ist ihr erster Roman, der sich auf die Erinnerungen und Leben ihrer verstorbenen Großmutter bezieht.

Unmittelbar nach dem Tod der geliebten Großmutter findet die erwachsene Enkelin in einer „verbotenen“ Kommode mit bunten Schubladen zehn Briefe mit den Erinnerungen der Großmutter. Ritas Eltern waren aktive Gegner des Franco-Regimes in Katalonien. Nach ihrer Ermordung wurden Rita und ihre beiden Schwestern von Verwandten über die Grenze nach Südfrankreich gebracht, um sie vor dem tobenden Bürgerkrieg zu schützen. Dort wachsen sie fern der gewohnten Umgebung ohne die Sprache zu sprechen und voller Heimweh auf. Die Schwestern passen sich aber der neuen Lebenssituation mit der Zeit an und jede geht ihren eigenen Weg. Durch die Aufzeichnungen in diesen zehn Briefen entdeckt die Enkelin viele Familiengeheimnisse, die  das Schicksal der Großmutter erklären über das diese nie ein Wort verloren hat.

Olivia Ruiz beschreibt sehr einvernehmend das Gefühl des Verlustes von Heimat einer ganzen Generation, die aus politischen Gründen flüchten musste, um sich in einer neuen sprachlichen kulturell fremden Welt eine neue Heimat aufzubauen. Meiner Meinung nach ein Thema, das immer noch aktuell ist.

Ein gelungener Debütroman, kurzweilig, ohne langewierige historische Passagen, dennoch spannend, einfühlsam und sehr lesenswert.

 Marilia Lindener

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